Viele Tatopfer von Vergewaltigungen verspüren nach der Tat eine große Hilflosigkeit und haben häufig Hemmungen, sich mit dem Erlittenen anderen anzuvertrauen oder die Strafverfolgung einzuleiten. Die SPD-Kreistagsfraktion möchte deshalb das Modell »Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung« der Beratungsstelle Frauennotruf Frankfurt im Main-Taunus-Kreis implementieren und stellt dazu einen Antrag für die Kreistagssitzung vom 31. Oktober.
„Nach unserem Kenntnisstand gibt es im Main-Taunus-Kreis keine spezialisierten Angebote für eine umfassende Akutversorgung nach Vergewaltigungen“, erklärt Gisela Stang, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Kreistagsfraktion Main-Taunus, „deshalb wollen wir vom Kreisausschuss des MTK wissen, wie er den Kreis für diese Fälle aufgestellt sieht und schlagen zugleich die Übernahme des Modells der Beratungsstelle Frauennotruf Frankfurt für die Klinikstandorte in Hofheim und Bad Soden vor.“
Die traumatische Erfahrung einer Vergewaltigung kann alle Menschen treffen, am häufigsten werden jedoch Frauen und Mädchen Tatopfer. Statistisch ist jede siebte Frau in Deutschland im Laufe ihres Lebens von sexualisierter Gewalt betroffen. Auch im Main-Taunus-Kreis wurde im Jahr 2021 die Zahl von 186 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung – worunter auch Vergewaltigungen gefasst werden (der Anteil von Vergewaltigungen an den unter §177 StGB gefassten Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt bundesweit auf langjährige Sicht ca. 10 Prozent) – registriert, wobei aufgrund der schambehafteten Tatumstände von einer ganz erheblichen Dunkelziffer ausgegangen wird.
„Nur fünf Prozent der Taten werden überhaupt angezeigt“, weiß Stang, „viele Tatopfer verspüren eine große Hilflosigkeit oder haben Hemmungen, das Erlittene mitzuteilen und versuchen erfolglos, mit dem Geschehen alleine klarzukommen. Eine spezialisierte, medizinisch und psychologisch geschulte Soforthilfe schafft eine vertrauenserweckende Anlaufstelle und kann den Betroffenen sensibel dabei helfen, mit den Folgen umzugehen.“ Neben medizinischer und psychologischer Behandlung seien auch gegebenenfalls rasch Schritte einzuleiten, um eine Schwangerschaft zu verhindern oder die Ansteckung mit sexuell übertragbaren Krankheiten auszuschließen.
Besonders wichtig sei auch die fachgerechte Dokumentation der Tatspuren, damit eine rechtssichere Strafverfolgung später in die Wege geleitet werden kann. „Dafür sind viele Stellen nicht ausgestattet oder ausgebildet. Werden die Spuren nicht adäquat gesichert, kann das am Ende dazu führen, dass Täter straffrei bleiben“, so die ehemalige Hofheimer Bürgermeisterin weiter. Da viele Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung im familiären Umfeld geschehen, gebe es eine erhöhte Hemmschwelle, die Polizei einzuschalten. Denn weil Vergewaltigungen ein Offizialdelikt darstellen, seien Polizei und Justiz dann verpflichtet, ein Strafverfahren einzuleiten sobald sie Kenntnis erlangen. Viele Tatopfer schreckten daher vor einer Strafanzeige zunächst zurück, bringe diese doch oft weitere erhebliche persönliche Konsequenzen mit sich. Unterbleibt so eine rechtssichere Dokumentation, sei die Tat im Nachhinein oft nicht mehr nachweisbar. Die Dokumentation der Tatspuren im Rahmen des beantragten Modells »Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung« führt jedoch eine vertrauliche Befundsicherung alleine für die Tatopfer durch. Diese können dann ohne Zeitdruck überlegen, ob sie eine Strafanzeige stellten wollen. Dabei erhalten sie zudem weitere Unterstützung bei rechtlichen Fragen.
- Informationen zum Modellprojekt: https://www.soforthilfe-nach-vergewaltigung.de/bundeslaender/hessen/in-hessen
- Zugehöriger Antrag